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STOP THE VIOLENCE !!!
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Peter Noever


!!!


Der Krieg ist zu Ende. Bald kann es heißen: Wieder ist ein Krieg auf dem Balkan zu Ende: der vierte in jüngster Zeit, wenn die Medien richtig zählen. Und weil die Medien das Zählen und das Erzählen übernehmen, muß ich nicht, will ich nicht, kann ich nicht sprechen.

Weil alle Worte gesagt sind, bis zur Unkenntlichkeit gesagt und wiederholt worden sind, Genozid und collateral damage, Schuld und humanitäre Katastrophe, Demokratie und Wahrheit, fehlen sie mir. Aber sie sind gesagt worden wie in Kriegen üblich, sie haben zerstört und sich dabei abgenutzt, und sie haben nicht einmal einfangen, nicht einmal klar machen können, was dieser Krieg ist. Sie haben nichts vermitteln können von den grauenhaften Schicksalen der Vertriebenen im Kosovo, nichts vom Sterben der serbischen Zivilisten, die das Unglück hatten, mit einem Bus zur falschen Zeit über die falsche Brücke zu fahren. Es ist laut mit Worten dazu geschwiegen worden; und was dennoch gesagt wurde, waren sprachliche Begriffe wie „günstige Wetterbedingungen“: günstig war in diesem Krieg, was günstig war für die Bombardierungen.

Der Krieg hat mehr zerstört als Brücken, Häuser, Kirchen, Botschaften. Der Krieg hat das kulturelle Selbstverständnis in Europa erschüttert, ein Selbstverständnis, das eben überhaupt erst zu begreifen begann, was die Wende von 1989 dem Osten wie dem Westen auch kulturell bedeuten könnte. Die europäischen Intellektuellen fühlten sich gedrängt, Partei zu nehmen, aber wofür? Für einen völkerrechtlich fragwürdigen Angriff? Für einen Staat, der ethnisch motivierte Vertreibungen durchführt? Ehemals prinzipielle Positionen scheinen plötzlich bedeutungslos geworden zu sein: Als ob die einst so starke Friedensbewegung nur im Frieden für den Frieden sein kann. Kaum ein Wort von den Denkmalschützern. Die Ökologiebewegung wird wohl erst dann lautstark protestieren, wenn die Gifte der zerbombten Raffinerien und Chemiefabriken die von den Kriegsereignissen verschonten Staaten erreichen.

Dieser Krieg ist zu Ende – vorläufig vermutlich, denn statt eines Grundsteins für eine friedliche Entwicklung, für ein Zusammenleben der Menschen unter menschlichen Bedingungen sind politische Tretminen gelegt worden, deren eine oder andere mit der Zeit schon explodieren wird: In Albanien? In Mazedonien? In Montenegro? Oder wieder in Jugoslawien bzw. im Kosovo?

Noch während des Krieges, angesichts der Eskalation der Gewalt, haben wir uns entschlossen, Künstler einzuladen, Plakate gegen den Krieg zu gestalten und für die Ausstellung STOP THE VIOLENCE!!! zusammenzustellen. Die Künstler kommen aus den vom Krieg betroffenen Regionen ebenso wie aus anderen Ländern Europas und aus den USA, und nicht zufällig wurde das Medium des Plakates zur gemeinsamen künstlerischen Grundlage genommen: Es ist ein populäres Medium, plakativ im Sinne des Wortes, ein Medium, das einen Eingriff darstellt und herstellt, einen Eingriff, der nicht auf einen Ort beschränkt sein kann und soll: Die Ausstellung wird nach ihrer Präsentation auch in anderen Städten gezeigt werden, die mit dem Krieg unmittelbar zu tun hatten, in Belgrad, Tirana, Sarajewo, Budapest oder etwa in Berlin, und sie wird überdies im Internet auf der Website von „Period After“ zu sehen sein, einem Netzwerk zur Forcierung integrativer, multiethnischer und demokratischer Entwicklungen im Zusammenhang mit den Konflikten auf dem Balkan.

Hat Kunst je einen Krieg verhindern können?

Sicher nicht; und wie wenig sie auch nur sich selbst zu schützen vermag, hat dieser gerade eben erst beendete Krieg erneut bewiesen. Dennoch Kunst zu machen, dennoch Kunst auszustellen, dennoch zu hoffen, daß Kunst etwas ändern, etwas aufhalten könnte, ist vermessen. Aber haben wir eine andere Wahl?

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